Subwoofer - Teil 1

Manch einer hat sich bestimmt schon einmal gewundert, warum Subwoofer vom Publikum weggedreht werden und offensichtlich zur Bühne schallen. Auch andere exotische Bassaufstellungen werfen immer wieder Fragen auf. Was es damit auf sich hat und welche physikalischen Tricks dahinterstecken, möchte ich in dieser Serie verdeutlichen.


Text & Grafiken: Dipl.-Ing. (FH) Volker Holtmeyer

Der Bass soll in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Aber warum eigentlich? Dafür kann es unterschiedlichste Gründe geben. Naheliegend ist der Versuch, den Schall dorthin zu lenken, wo man ihn haben möchte, zum Publikum. Und mithin weniger in Richtung Bühne, wo er in der Regel eher stört. Nicht selten baut sich hier nämlich im Bassbereich ein unangenehmes Dröhnen auf und auch die Feedback-Gefahr kann mit gerichteten Bässen wesentlich besser unter Kontrolle gebracht werden.


Ein vielleicht nicht ganz so plausibler Grund dafür, warum es sinnvoll ist, den Schall auch im Tieftonbereich gerichtet abzustrahlen, hat mit der Raumakustik zu tun. Für einen guten Sound ist es nämlich wichtig, ein großes Verhältnis von Direktschall zu Diffusschall zu erreichen. Optimal ist es, möglichst viel Direktschall und gleichzeitig wenig Diffusschall zu erzeugen. Beides steht aber in einem festen Zusammenhang. Beim Erhöhen der Lautstärke, um mehr Direktschall zu erzeugen, wächst zugleich der Pegel des Diffusfelds. Und umgekehrt bringt es nichts, leiser zu fahren, um den Diffuspegel zu senken, da somit der Direktschall gleichermaßen geringer wird.


Der Pegel des Diffusschalls ergibt sich aus der insgesamt in den Raum abgegebenen Schallenergie. Also auch aus dem Schall, der nicht in Richtung Publikum abgestrahlt wird. Wenn es gelingt, den Schall im Bassbereich ebenfalls gerichteter abzustrahlen, gibt es weniger Diffusschall bei gleichbleibendem Direktschall. Dadurch wird der Klangeindruck präziser und weniger verwaschen.


Mit richtenden Basslautsprechern kann man zudem versuchen, effektiv Raumbegrenzungsflächen auszusparen, um hier entstehende Reflexionen zu vermeiden. Bei Seitenwänden kann das recht gut funktionieren; bei der Hallendecke ist das aber erfahrungsgemäß oft nicht so einfach (gerade bei horizontalen Arrays entlang der Bühnenvorderkante entsteht ein nicht unerheblicher vertikaler Lobe, wie wir später noch sehen werden). Ein weiterer Aspekt, der es unter Umständen erforderlich macht, auf richtende Subwoofer-Anordnungen zu setzen, ist der Schutz von Anwohnern bei Freiluft- oder Zeltveranstaltungen. Gerade die tiefen Frequenzen sind es, die sehr weit tragen und als besonders störend empfunden werden. Auch auf Stadtfesten oder Festivals mit mehreren Bühnen ist es mit einer gerichteten Bassabstrahlung einfacher, die jeweiligen Aktionsorte akustisch zu separieren. Nicht zuletzt wird es mit durchdachten Subwoofer-Aufstellungen erst möglich, eine gleichmäßige Beschallung der Publikumsfläche im Bassbereich zu erreichen. Bei tiefen Frequenzen ist das nämlich weitaus schwieriger als bei mittleren und hohen Frequenzen. Das liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Genauer gesagt ist es dem Umstand zuzuschreiben, dass die Wellenlänge des Schalls zu tiefen Frequenzen hin immer größer wird. Je tiefer die Frequenz, desto größer die Wellenlänge.


Das Phasenrad


Geben zwei Schallquellen das gleiche Signal wieder und haben einen unterschiedlichen Abstand zum Zuhörer, kommen die Signale der beiden Quellen zu unterschiedlichen Zeiten beim Zuhörer an, denn das Signal der weiter entfernten Quelle muss eine größere Strecke zurücklegen und trifft daher später ein. Ist der Weglängenunterschied der beiden Quellen kleiner als die halbe Wellenlänge der jeweils betrachteten Frequenz, addieren sich die Signale. Je kleiner der Unterschied, desto größer die Addition. Ist der Weglängenunterschied gleich 0, dann addieren sich die Signale vollständig, was sich in einer Pegelerhöhung von 6 dB bemerkbar macht. Entspricht der Weglängenunterschied einem Drittel der Wellenlänge (120°), entspricht die Überlagerung beider Signale dem Pegel einer einzigen Quelle (+0 dB). Bei einem Unterschied von einer halben Wellenlänge gibt es eine Phasenverschiebung von 180° und beide Signale löschen sich vollständig aus.

Man spricht hier von konstruktiven Interferenzen, wenn die Pegeladdition der beiden Signale größer 0 dB ist und von destruktiven Interferenzen, wenn die Addition der Pegel negative Werte ergibt. Überschreitet der Weglängenunterschied der beiden Quellen eine Wellenlänge, wird das Phasenrad gewissermaßen mehrfach durchfahren. Bei einem geradzahligen Vielfachen der halben Wellenlänge kommt es zur Addition und bei einem ungeradzahligen Vielfachen der halben Wellenlänge zu einer Auslöschung.


Eine Formel, die man als Tontechniker parat haben sollte, beschreibt genau diesen Umstand: Die Wellenlänge (Lambda) entspricht dem Verhältnis von Schallgeschwindigkeit (c) zur Frequenz (f). Mit der Schallgeschwindigkeit (die hoffentlich auch wie aus der Pistole geschossen kommt ...) bei normaler Luftfeuchte und 20° C von 344 m/s lässt sich die Wellenlänge typischer Frequenzen einfach herleiten. Im Tieftonbereich bei 100 Hz beträgt die Wellenlänge beispielsweise 3,4 m, im Mitteltonbereich bei 1 kHz entspricht sie 34 cm und im Hochtonbereich bei 10 kHz verbleiben nur noch 3,4 cm.


Zusammenhang von Wellenlänge und Frequenz


Diese Zahlen sollten immer im Hinterkopf bleiben, wenn man betrachten möchte, ab welcher Frequenz ein Lautsprecher – oder eine Anordnung mehrerer Lautsprecher – den Schall gerichtet abstrahlt. Eine signifikante Bündelung des Schalls beginnt ungefähr ab der Frequenz, wo die Wellenlänge in der Größenordnung der schallabstrahlenden Fläche liegt. Das bedeutet für ein 15“-Tiefton-Chassis, dass es ab etwa 1 kHz gerichtet abstrahlt. Ein großes Horn-Top mit einer Breite von 60 cm vermag den Schall bereits ab 500 Hz kontrolliert abzustrahlen. Ein Lautsprecher, der bereits im Tieftonbereich gerichtet abstrahlen soll, müsste mehrere Meter groß sein. Daher ist zusammenzufassen, dass einzelne Subwoofer kugelförmig und annä- hernd ungerichtet arbeiten. Wie gelingt es dann aber, den Schall im Tieftonbereich doch gerichtet abzustrahlen? Dazu bedarf es etwas Know-how.


Es ist grob zu unterscheiden zwischen „gerichteten Punktquellen“ mit nur zwei oder drei Subwoofern und großen Arrays respektive Zeilen mit sehr vielen Lautsprechern. Als „gerichtete Punktquellen“ kann man die Cardioid- oder Augspurger-Aufstellungen und End-Fire-Anordnungen betrachten. Diese einzelnen Konstellationen werden bei größeren Beschallungskonzepten gerne zu großen Zeilen zusammengefasst. Andererseits ermöglicht auch eine Zeile aus einzelnen Subwoofern eine deutliche Bündelung und ist geeignet, große Flächen gleichmäßig zu beschallen.


Simulation mit der Software JBL Line Array Calculator


Als Einstieg beschäftige ich mich zunächst mit solchen Zeilenanordnungen. Das Prinzip dahinter besteht darin, dass man mit vielen einzelnen eine große gemeinsame Quelle zusammensetzt. Es entsteht also eine große schallabstrahlende Fläche, die aufgrund ihrer Größe selbst tiefe Frequenzen in ihrer Abstrahlung beeinflussen kann. Um dies zu veranschaulichen, sind in der Abbildung acht direkt nebeneinander stehende Single 18“-Subwoofer simuliert. Hieraus resultiert eine deutliche Bündelung des Schalls. Die Bündelung ist noch zu steigern, indem einzelne Boxen auseinandergerückt werden. Es entsteht das oftmals erwähnte „Zahnlücken-Array“.


In diesem Beispiel sind zwei Mal zwei Punktquellen bei einer Frequenz von 80 Hz simuliert – links beträgt der Abstand der Quellen 2 m, bei einem Abstand von 2,50 m (rechts) sind bereits deutliche Nebenmaxima zu erkennen


Wie groß dürfen die Lücken nun sein? Das lässt sich per Simulation herausfinden. Hier gilt es aufzupassen, denn ab einem Abstand, welcher der halben Wellenlänge der jeweiligen Frequenz entspricht, kann es zu Auslöschungen im Abstrahlbereich kommen. Dazu ein Beispiel: Wenn als höchste Frequenz, die von den Subwoofern wiederzugeben ist, 80 Hz festgelegt wird, dann darf der Abstand maximal 2,15 m betragen: d = c / 2f = (344 m/s) / (2*80 Hz) = 2,15 m. 


Abstand der akustischen Zentren


Gemeint ist hier immer der Abstand von der Mitte der einen Box zur Mitte der nächsten Box und nicht etwa der Abstand zwischen den Gehäusen. Auch wenn es sich um Doppel 18“-Subwoofer handelt, ist stets von Mitte zu Mitte der Gehäuse zu messen und nicht etwa vom Zentrum des einen Chassis zum Zentrum des nächstliegenden Chassis der benachbarten Box. Hier bilden die beiden Chassis der Doppel-Achtzehner gedanklich wieder eine gemeinsame Punktquelle in der Mitte der Box (bei Zeilen aus einzelnen Cardioid- oder End-Fire-Anordnungen, also Anordnungen, die an sich schon eine gewisse Richtwirkung haben, darf der Abstand etwas größer sein als die halbe Wellenlänge. Mit der halben Wellenlänge ist man aber in jedem Falle auf der sicheren Seite.) Im Grunde kommen bei einer solchen Zeilenanordnung genau die gleichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten zum Tragen wie bei konventionellen Line-Arrays – nur eben nicht vertikal, sondern horizontal. Das bedeutet jedoch auch, dass eine gerade Linie das Verhalten zeigt, zu höheren Frequenzen immer stärker zu bündeln, oder umgekehrt verliert die Zeile zu tieferen Frequenzen hin ihre Richtwirkung.


Bündelungsverhalten einer Linienquelle (Öffnungswinkel in Abhängigkeit von Länge und Frequenz)


Das Bündelungsverhalten ist also bei 100 Hz stärker als bei 50 Hz, was für eine gleichmäßige Beschallung natürlich denkbar schlecht ist. Allerdings kann genau das, was von vertikalen Line-Arrays her bekannt ist, kann auch in diesem Fall nützlich sein. Das Zauberwort heißt „Curving“. Dabei schiebt man von der Mitte ausgehend die Subwoofer nach außen hin jeweils immer ein Stückchen weiter in Richtung Bühne, sodass sie sich schließlich etwa auf einem Kreisbogen befinden. Ganz korrekt wäre es, hier keinen Kreisbogen zu beschreiben, sondern eine Ellipse, so wie es bei Line-Arrays gemacht wird (viele Hersteller vernachlässigen das in ihren Simulations-Tools).


Durch das horizontale Curving der Subwoofer-Zeile weitet man den Abstrahlwinkel auf, und zwar für höhere Frequenzen stärker als für niedrigere. Somit wird es möglich, dass der Öffnungswinkel für alle Frequenzen gleich ist. Es gibt also für eine bestimmte Zeilenlänge einen optimalen Öffnungswinkel. Dennoch bieten die meisten Hersteller in ihren Tools die Möglichkeit, den Öffnungswinkel frei einzustellen, was in der Praxis in gewissen Grenzen sicherlich gut möglich ist. Ein Nachteil des mechanischen Curvings von horizontalen Zeilen vor der Bühne besteht in der sehr starken Konzentration des Schalls auf die Bühnenmitte. Außerdem ist eine solche Anordnung oft aus Platzgründen nicht möglich. Daher ist es eine gute Alternative, den räumlichen Versatz durch einen zeitlichen Versatz zu ersetzen. Die äußeren Subwoofer werden also verzögert angesteuert. Sie bekommen dabei ein Delay, was genau der Strecke ent- spricht, um die man die Boxen nach hinten schieben würde.


Mit Delay-Zeiten verzögerte Zeile


Das akustische Verhalten der Zeile entspricht damit in der Publikumsrichtung fast exakt dem Ergebnis beim mechanischen Curving. Nach hinten – also in Richtung Bühne – ist indessen die Abstrahlung genauso wie nach vorne. Sie ist also spiegelsymmetrisch (eventuell überlagert durch das Abstrahlverhalten der einzelnen Stacks). Dadurch ist die Pegeladdition auf der Bühne deutlich geringer und der Aufbau vereinfacht sich. Allerdings ist so für jeden Subwoofer ein eigener Processing-Kanal vonnöten, was aber in Zeiten von DSP-Amps meist kein Problem darstellt.


Wir haben bis hierher also gesehen, wie mit Subwoofer-Zeilen die Bass- energie gerichtet werden kann und wie damit eine gleichmäßige Beschallung der Publikumsfläche zu erzielen ist. Im nächsten Teil der Serie geht es darum, wie die Richtwirkung solcher Zeilen durch End-Fire- oder Cardioid-Stacks weiter verbessert werden kann.