Subwoofer - Teil 2

Warum es überhaupt sinnvoll ist, den Schall auch im Tieftonbereich gerichtet abzustrahlen, war Thema des ersten Teils. Außerdem wurden wichtige Voraussetzungen dafür und die Frage erörtert, wie mit Subwoofer-Zeilen gleichmäßig beschallt wird. Im zweiten Teil erkläre ich nun, wie Cardioid-Konfigurationen und Endfire-Arrays funktionieren.


Text & Grafiken: Dipl.-Ing. (FH) Volker Holtmeyer


Cardioid-Anordnungen und Endfire-Arrays sind zwei Methoden, mit denen ein Subwoofer-Stack quasi als Punktquelle ein Richtverhalten entwickeln kann. Die Begrifflichkeiten sind leider nicht ganz eindeutig beziehungsweise einheitlich. Das Endfire-Array wird beispielsweise mindestens ebenso oft als „End-Fired“ bezeichnet. Da wir es hier mit einem zusammengesetzten Begriff zu tun haben, sind natürlich alle anderen Schreibweisen – getrennt, zusammen, mit und ohne Bindestrich, mit und ohne „d“ – ebenfalls anzutreffen.


Bei den Cardioid-Aufstellungen sieht es da nicht besser aus. Häufig benutzt wird die Abkürzung „CSA“, für „Cardioid Subwoofer Array“. Leider verwenden die Lautsprecher-Hersteller in ihren Dokumentationen aber meist unterschiedliche Bezeichnungen.


Ein Herz für Subs


Schauen wir uns zunächst die Cardioid-Konfigurationen an. Hierbei erhält eine Anordnung aus zwei bis vier Lautsprechern eine nierenförmige Abstrahlcharakteristik. Vorstellen kann man sich das exakt so, wie die Aufnahmecharakteristik eines Nierenmikrofons: in Hauptrichtung viel Pegel und in der gegenüberliegenden Richtung eine starke Pegelreduktion.


Nierenförmige Richtcharakteristik


Die klassische Form des Cardioid-Arrays wird als „Gradient Array“ bezeichnet und besteht aus zwei Subwoofern, die hintereinander gestellt werden. Der Abstand der Quellen ist gleich dem viertel der Wellenlänge, die der Frequenz entspricht, bei der man die stärkste Rückwärtsdämpfung erzielen möchte. Beim hinteren Lautsprecher wird die Polarität getauscht und er wird um den Abstand der Quellen verzögert.


Die Grundlagen erwähnte erstmals 1972 Harry F. Olsen in seinem Buch „Acoustical Engineering“. Diese Lautsprecheranordnung wurde durch den JBL-Ingenieur George L. Augspurger auch als „Augspurger-Array“ bekannt. Optisch ist sie von einem Endfire-Array mit zwei Subwoofern nicht zu unterscheiden. Die Ansteuerung ist hier jedoch eine völlig andere.


Eine etwas abgewandelte Form des „Gradient Arrays“ findet man heute bei fast allen Lautsprecher-Herstellern, die für diese Anordnungen fertige Controller-Presets anbieten. Dabei nutzt man den Umstand, dass die Gehäuse moderner Subwoofer häufig etwa 70 - 80 cm tief sind. Werden diese einfach übereinanderstapelt und eines nach hinten gedreht, resultiert gleich der passende Abstand von einer viertel Wellenlänge im Tieftonbereich.


Eine wichtige Rolle spielt dabei das Abstrahlverhalten des einzelnen Subwoofers. Vereinfacht wird oft behauptet, dass Tieftonlautsprecher quasi keine Richtwirkung haben und den Schall omnidirektional – also ohne Vorzugsrichtung – abstrahlen. Das ist aber nicht ganz korrekt. Tatsächlich haben gewöhnliche Subwoofer eine geringe Rückwärtsdämpfung, je nach betrachteter Frequenz und Größe des Subwoofers. Das ist im Wesentlichen durch die Abschattung und die Beugungseffekte am Lausprechergehäuse begründet. Interessant dabei – diesen geringen Pegelunterschied macht man sich zu Nutze. In der Regel werden, bei den von Lautsprecherherstellern empfohlenen Cardioid-Konfigurationen, zwei bis drei Subwoofer nach vorne gerichtet, dann bedarf es um 180° gedreht nur einen Subwoofer zum Auslöschen des rückwärtigen Schalls. Die beste Auslöschung hinter dem Stack gibt es, wenn hier der empfangene Pegel aller nach vorne gerichteten Lautsprecher exakt so groß ist, wie der empfangene Pegel des nach hinten gedrehten Lautsprechers.


Wie schnell ist Schall?

Wie lange dauert es, bis der Schall eine Strecke von 1 m zurückgelegt hat? Da greift jeder Tontechniker spontan in seine geistige „Toolbox“ und fischt den Wert „ungefähr 3 ms/s“ heraus. Woher rührt dieser Wert? Die Schallgeschwindigkeit beträgt bei normaler Luftfeuchte und 20° C 344 m/s. Weiter hilft der Kehrwert, da wir ja wissen wollen, wie viele Sekunden der Schall für einen Meter braucht: 1/344 s/m. Das sind 0,0029 s/m oder eben 2,9 ms/m. Der Schall braucht also 2,9 ms, um eine Strecke von 1 m zurückzulegen.


Aber woher „weiß“ der Schall, dass rückwärtig eine Auslöschung und vorne die Addition gewünscht ist? Um das zu verstehen, hilft die folgende Abbildung. Zunächst gilt es, die Verhältnisse hinter dem Stack und das Signal, das von den nach vorne in ichtung Publikum gerichteten Lautsprechern abgestrahlt wird, zu betrachten. Hier muss der Schall, gegenüber dem nach hinten gerichteten Lautsprecher eine größere Strecke zurücklegen, entsprechend etwa der Gehäusetiefe. Der nach hinten strahlende Lautsprecher bekommt, wie schon angedeutet, eine Invertierung des Signals – also eine Polaritätsumkehr (keine Phasenverschiebung, wie oft fälschlicherweise gesagt wird!) – und ein Delay, das in etwa der Gehäusetiefe entspricht. In der Praxis wählt man hier einen Wert der etwa 10 - 30 cm größer als die Gehäusetiefe ist. Das liegt daran, dass sich das virtuelle akustische Zentrum eines Subwoofers nicht in der Ebene des Lautsprechergitters befindet, sondern messtechnisch tatsächlich einige Zentimeter vor dem Lautsprecher bestimmt werden kann. Da die Lautsprecher beim „Inverted Stack“ in entgegengesetzte Richtungen zeigen, und nicht wie beim klassischen „Gradient Array“ beide nach vorne, ist das hier entsprechend zu berücksichtigen. Wie ersichtlich ist, haben die beiden Empfangssignale hinter dem Stack einen genau gegenläufigen Verlauf und löschen sich somit aus. Hinter dem Stack ist es also still.


Prinzip einer Gradient- bzw. Cardioid-Anordnung


Vor dem Stack ist die Situation wie folgt. Die nach vorne gedrehten Lautsprecher strahlen den Schall direkt ohne Signal-Processing ab. Der nach hinten gedrehte Lautsprecher hat das zuvor beschriebene Delay samt der Polaritätsumkehr und das Signal ist zusätzlich verzögert, weil der Schall außerdem die Strecke der Gehäusetiefe zurücklegen muss. Es gibt also eine Verschiebung von einem Viertel der Wellenlänge durch die Gehäusetiefe und eine weitere viertel Wellenlänge durch das Delay im Controller. Die Signale wären also exakt gegenläufig. Da es aber außerdem noch die Polaritätsumkehr gibt, tritt nun der Fall ein, dass die bei- den Signale wieder in Phase sind und sich somit addieren.


Wandert man um den Stack herum, verschieben sich die Phasenbeziehungen und es entsteht das typische nierenförmige Abstrahldiagramm. Problematisch ist allerdings, dass die Impulsantworten der vorderen Quellen und der hinteren Quelle nicht exakt übereinander liegen. Das hintere Signal fängt ja quasi erst an, wenn die vorderen Signale schon eine halbe Wellenlänge vorgelegt haben. Das wird von vielen Tontechnikern als „Verschmieren“ bezeichnet und ist in erster Linie bei impulshaltigen Signalen wahrnehmbar. Zur Seite hin sind durch die unterschiedliche Phasenlage der beiden Signale (das Delay vom Controller ist stets das gleiche, aber die relativen Abstände zu den Quellen verändern sich) ebenfalls Anomalien zu erkennen. Die Impulstreue geht etwas verloren und durch die Frequenzabhängigkeit ist die Richtcharakteristik nicht ganz homogen. Rückwertig verbessert sich die Situation jedoch wesentlich und mit der Cardioid-Anordnung kann die beste Rückwärtsdämpfung erzielt werden.


Hierzu ist es aber notwendig, dass die empfangenen Signale exakt gleich groß sind. Selbst eine Pegeldifferenz von nur 0,1 dB sorgt dafür, dass nur noch eine Dämpfung von etwa -40 dB erreicht werden kann. Bei einem Unter- schied von 1 Dezibel sind gar nur noch etwa -20 dB möglich. Bei einem Verhältnis von 2:1 respektive 3:1 von nach vorne gerichteten Subs zu gedrehtem Sub sind die Pegel hinter dem Stack schon ziemlich identisch. Konsequenterweise sollten aber die Frequenzgänge der Subwoofer möglichst gut angeglichen werden. Das geschieht am sinnvollsten mit Messungen hinter dem Stack in mindestens 4 m Abstand. Ist der Messabstand zu klein, fallen die unterschiedlichen Abstände zu den einzelnen Quellen ins Gewicht und verfälschen die Messung. Mit parametrischen Filtern wird der Frequenzgang des nach hinten schallenden Subwoofers an den Frequenzgang der nach vorne schallenden Subwoofer angepasst, sodass beide möglichst exakt übereinander liegen. Eine zusätzliche Klangbearbeitung der Subwoofer würde folglich davor gemacht, sie muss sich auf beide Signalwege auswirken. Wenn der Lautsprecherhersteller gewissenhaft vorgegangen ist, hat er all das in seinen Presets berücksichtigt. Zwei Messungen zur Kontrolle hinter dem Array (einmal nur der hintere Sub aktiv und einmal nur die vorderen Subs aktiv) bringen dies sehr schnell ans Tageslicht.


Falls die Experimentierfreude geweckt wird und man sich selbst ein Cardioid-Preset basteln möchte, steht dem grundsätzlich nichts im Wege. Wichtig dabei ist, dass die Pegel der beiden Signalwege nicht voneinander abweichen, damit die Limiter nicht unterschiedlich angesprochen werden. Wenn die Anlage an der Leistungsgrenze betrieben wird und einer der beiden Subwoofer-Wege früher limitiert als der andere, hätte das fatale Folgen. Die Pegel der beiden Wege wären dann nicht mehr gleich groß und die Abstrahlcharakteristik würde pegelabhängig variieren. Diese würde sich nämlich mit jedem Bass Drum-Impuls schlagartig ändern.


Bleibt die Frage, welcher Subwoofer denn nun umgedreht wird. Grundsätzlich kann man ein Cardioid-Array horizontal nebeneinander oder vertikal übereinander aufbauen. Die Empfehlung der meisten Hersteller ist, bei einem horizontalen Array den mittleren Sub und bei einem vertikalen Stack den untersten Sub zu drehen. Wie ist das begründet? Oft gehört ist die Erklärung, dass bei der vertikalen Variante durch den Boden eine Spiegelquelle und mithin eine symmetrische Anordnung entsteht. Das ist aber freilich bei dem gedrehten Sub in der Mitte auch so. Viel wichtiger ist der so genannte Strahlungswiderstand, den der unterste Subwoofer erfährt. Dieser beschreibt, wie gut der Lautsprecher an die Luft ankoppelt. Wenn sich die Membran nach vorne bewegt, drückt sie die Luftmoleküle davor zusammen. Befindet sich der Lautsprecher frei im Raum, gelingt das weniger gut, als wenn er auf einer Begrenzungsfläche steht, da die Teilchen dann in dieser Richtung nicht ausweichen können und sich die Luft so leichter komprimieren lässt. Für den oberen und den unteren Lautsprecher gelten also unterschiedliche Randbedingungen – es entsteht ein asymmetrisches Konstrukt.


Wenn ein vertikaler Stack auf dem Boden steht, sollte der unterste Sub gedreht werden. Wenn er jedoch auf einer Bühne an der Bühnenvorderkante steht, sind die Bedingungen eher so, als würde der Stack frei in der Luft hängen und dann sollte der mittlere Sub gedreht werden. Bei geflogenen vertikalen Arrays lässt sich aber auch ganz gezielt eine asymmetrische Abstrahlung erzeugen, wenn man den Beam beispielsweise leicht nach unten neigen möchte. Dann sollte der obere Sub gedreht werden. Wichtig ist auch, dass Cardioid-Anordnungen immer mit genügend Abstand zu einer Rückwand aufgebaut werden. Hinter dem Stack sollte mindestens der Abstand von einem Meter eingehalten werden.


Bitte hintereinander aufstellen!


Das Prinzip des Endfire-Arrays ist noch älter als das der Cardioid-Aufstellung und wurde erstmals 1957 von Harry F. Olsen beschrieben. Hierbei werden mehrere Subwoofer mit einem gewissen Abstand hintereinander positioniert. Die einfachste Anordnung besteht aus lediglich zwei Lautsprechern. Man kann diese Reihe aber beliebig fortsetzen, sodass typische Endfire-Arrays aus drei bis vier einzelnen Subwoofern oder auch gestapelten Subwoofer-Stacks bestehen. Es entsteht also eine Linie von Subwoofern, die in Richtung Publikum zeigt.


Prinzip eines Endfire-Arrays


Meist werden Endfire-Arrays links und rechts neben der Bühne aufgebaut. Wenn die Möglichkeit besteht, ist es aber auch durchaus möglich, mehrere Endfire-Arrays vor respektive unter der Bühne nebeneinander aufzureihen. Somit entsteht eine Kombination aus Endfire-Arrays und einem klassischen Arc-Array.


Das Funktionsprinzip der Endfire- Anordnung ist relativ einfach. Alle Subwoofer bekommen eine zeitliche Verzögerung, die ihrem Abstand zum entferntesten Lautsprecher entspricht. In der Abbildung sind die Lautsprecher mit einem Abstand von 1 m von Lautsprechergitter zu Lautsprechergitter positioniert. Der Subwoofer 1 bekommt die Zeit null, also kein Delay. Der Subwoofer 2 wird entsprechend der Strecke A verzögert (2,9 ms), der Subwoofer 3 entsprechend der Strecke B (5,8 ms) und der Subwoofer 4 entsprechend der Strecke C (8,7 ms).


Die vorderen Subwoofer werden also immer auf den hintersten verzögert, sodass sich die Signale nach vorne aufsummieren. Bildlich ist das so vorzustellen, dass die Schallwelle beim Subwoofer 1 startet. Diese breitet sich aus und beim Erreichen des Subwoofers 2 nimmt die ursprüngliche Schallwelle die Welle des Subwoofers 2 gewissermaßen mit. Diese gemeinsame größere Welle breitet sich weiter aus und erreicht den Subwoofer 3 und so weiter. Nach vorne addieren sich somit alle Pegel. Hinter dem Array treffen die Signale der einzelnen Subwoofer aber zu unterschiedlichen Zeiten ein. Damit ist ihre Phasenlage nicht die gleiche und es entstehen Auslöschungen. Hinter dem Array ist es also deutlich leiser.


Grundsätzlich lässt sich ein Endfire-Array auch „invers gestackt“ aufbauen - also übereinander mehrere Subwoofer gestapelt, von denen einer (oder mehrere) nach vorne ausgerichtet sind und einer nach hinten gedreht ist. Somit ist ein solches „invers gestacktes Endfire-Array“ von einem Gradient-Array äußerlich nicht zu unterscheiden; die Ansteuerung ist aber völlig anders.


Soweit zur grundsätzlichen Funktion von Endfire-Arrays und Cardioid-Anordnungen. Im dritten und letzten Teil zeige ich Tools, mit denen die verschiedenen Konfigurationen zu berechnen sind und gebe Tipps für die praktische Anwendung.